"Feuchtgebiete" von Charlotte Roche

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    • "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche

      Hab mir besagtes Hörbuch letztens zugelegt. Ich denke einige von euch kennen es schon vom hören-sagen. Ich habe zum ersten Mal davon im Playboy gelesen und dachte mir..."Tuxichen! Wirste doch mal zuschlagen... hört sich gut an!!!"

      Jetzt wo ichs hab bin ich geteilter Meinung. Zum einen mag ich ja alles was aus der Reihe tanzt (an dieser Stelle ein zwinkern an Helena :D ) aber ich finde es stösst auch an die Grenzen meiner Interpretation von Niveau! Wie man sich das Axxxxloch rasiert und sich dabei eine Axxxfisur hollt ist nicht das was man unbedingt wissen möchte.

      Mich würden eure Meinungen dazu mal interessieren... die die es gehört bzw gelesen haben. ?(

      Mfg TuXe
      Bilder
      • feuchtgebiete.jpg

        5,74 kB, 480×640, 330 mal angesehen
      Umsteiger... ;)
    • Habe das Buch schon länger in meiner Amazon-Wunschliste, bin bislang aber immer wieder durch Leseerfahrungen von Freunden davon abgehalten worden es selbst mal zu probieren. Die Berichterstattung darüber liest sich in der Tat sehr interessant, allerdings soll Charlotte Roche sehr schnell sehr stupide in immer wieder die selben Fäkal-Formulierungen verfallen, wobei sich sehr schnell der Verdacht erhebt, sie wolle zwingend und um jeden Preis mit jedem einzelnen Satz provozieren - was natürlich uninteressant ist.
    • Stimmt, die kann ja sowas von überhaupt nicht vorlesen . . . schlimm!

      Hab mich nach dem hören auch gefragt was mir die Verfasserin jetzt mit dem Buch mitteilen wollte.

      Tabus hat Sie mit Sicherheit gebrochen, aber insgesamt würde ich das Buch/Hörspiel jetzt niemandem empfehlen, auch wenn ich stellenweise gut geschmunzelt habe, meine Frau dabei eher weniger . . . ;)

      Da würd ich doch eher "Drecksau" von Irvin Welsh empfehlen zu lesen. Das Buch war klasse, dreckig und fieß und derbe.


      Gruß

      TUllm
      "peace to the brothers who had the nerve . . . to die in action in the war of words"
      by HiJack / taken from the album "The Horns Of Jericho"
    • ist zwar ein längerer beitrag; aber hier meine rezension zu dem titel:


      Smack my Smegma

      Charlotte Roche - Feuchtgebiete





      Die Protagonistin dieses Romans ist die einsame, sensible, verträumte 18 jährige Hellen. Hellen liegt wegen einer Operation im Krankenhaus und langweilt sich fast zu Tode. Echte, mitfühlende Freunde scheint sie nicht zu haben. Denn besucht wird sie nur von ihren geschiedenen Eltern, mit denen sie aber kaum redet. Denn nicht die Kommunikation mit diesen ist ihr Anliegen, sondern dass sich ihre Eltern wieder in einander verlieben. Deswegen hofft sie inbrünstig, dass sich die beiden während der Besuchszeiten wieder über den Weg laufen. Allerdings verpassen diese sich ständig …

      So flüchtet sich Hellen zum Ausgleich ihres frustrierenden Lebens in eine Phantasiewelt. Auch dort spielt Reden kaum eine Rolle. Wovon sie träumt, ist sexuelle Befriedigung. Je weiter weg vom spießigen Blümchen-Sex, umso besser.

      Findet sie in ihrem echten Leben kaum Beachtung und Anerkennung, so ist es in ihrer Parallelwelt immer sie, welche die Fahne hoch hält und mit ihrem Tamburin den Takt schlägt. Ihre Lebensphilosophie kann man in dem Satz zusammen fassen: „Wenn man was in den Mund steckt, muss man doch zu jemandem sagen können, wie es schmeckt.“ Da Hellen in ihren Träumen alles an greifbaren Körperausscheidung in den Mund stopft, (wie ein kleines Kind Bauklötze), ihren Erfahrungen aber niemand zuhört, ist es hier der Hoerer, welchem diese Position eingeräumt wird.

      Charlotte Roches Buch ist unserer Meinung nach eine klassische Satire, welche, wie so viele andere literarische Werke in ihrer Zeit, völlig falsch bewertet und verstanden wird. Soweit wir wissen, hat sich die Autorin ihren Nachnamen nicht selber ausgesucht. Aber für dieses Buch wäre er das perfekte Pseudonym. Roche hat den gleichen Stimmlaut wie das englische Wort „Roach“. Dieses wiederum ist die Abkürzung von „Cockroach“. Und die Übersetzung des ersten Wortteils „Cock“ lautet, ziemlich frei, „Pimmel“.

      Eine der am meisten kritisieren Stellen, in denen Hellen davon schwärmt, dass ihr ungenannter Liebhaber sie während ihrer Periode oral befriedigt, ist nur die logische Fortführung einer Stelle aus Philip Roth Buch „Das sterbende Tier“. Die Fortführung der „Blutungsszene“ klingt so märchenhaft-phantastisch, dass sie aus der Feder von Angela Carter „The Sadeian Woman and the Ideology of Pornography“ stammen könnte. Und schrieb nicht schon Günter Grass sinngemäß „Wer den doggy-style liebt, muss mit Gegenwind rechnen“? Stammt übrigens aus „Der Butt“ (Interessierte dürfen gerne mal in einem Übersetzungsprogramm nachsehen, was das englische Wort „Butt“ auf Deutsch heißt.). Und wer „Das obszöne Werk“ von Georges Bataille gehoert hat, kennt schon einige der Verzückungen, welcher Anal-Verkehr mit sich bringen kann – natürlich literarisch betrachtet. Vaginalspülungen, nicht mit Wasser, sondern mit Urin, bringt schon Henry Miller in „Das Lächeln am Fuße der Leiter“ zur Sprache. Die Reihe von literarischen Vorgängern (die stilistisch allerdings alle um Welten besser sind als "Feuchtgebiete") ist schier unendlich. Eine Anmerkung sei hier gestattet: empfindliche Menschen sollten diese Stelle vielleicht nicht während der Nahrungsaufnahme hoeren.

      Doch kommen wir nun zu einem weiteren, interessanten Punkt: dem Hoerbuch, welches Frau Roche selber liest. Es gibt aktuell zwei Wege, auf denen man Frau Roche lesen hoeren kann: als Hoerbuch oder während einer öffentlichen Lesung. Das Hoerbuch ist eindeutig der Sieger - weil man sie nicht sieht. Ihre äußere Erscheinung stimmt nicht mit dem Ton überein, mit dem sie die 18-Jährige Hellen liest, obwohl zwischen den beiden Kunstfiguren nur ca. 12 Jahre liegen. Beim öffentlichen Vortrag klingt die Lesung mehr wie der Rückblick einer End-Zwanzigerin; allerdings glaubt man ihr hier eher die bei Interviews kokett geäußerte Aussage, dass etwas 60 % des Buches auf eigener Erfahrung (Wünschen?) beruht. Hier bedauert man, dass es die alte Kavalierssitte des Handkusses nicht mehr gibt. Zu gerne würde Mann mal während der Autogrammstunde an ihren (Stinke)Fingern riechen. Oder versuchen, einen Hauch ihres aus natürlichen Stoffen (hier: Mösenschleim) hergestellten, hinterohrigem, Pheromone auslösenden Parfüm erschnüffeln.
      Beim Hoerbuch nimmt man ihr sofort die 18-Jährige ab. In lockerem Plauderton, manchmal etwas blauäugig, dann wieder wie bei einem imaginären Zuhoerer Zustimmung heischend, trägt sie ihren Roman vor. Hier hoert man wieder einmal, welch wichtiger Aufgabe der Regie bei einer Hoerbuchproduktion zukommt. Besonders bei den urkomischen Stellen, die laut eigener Aussage von Frau Roche garnicht witzig gemeint waren und die deshalb von Frau Roche total ernst gelesen werden, kann man sich so manches Mal nicht vor Lachen halten. Wenn Sie dieses Hoerbuch also in Gesellschaft anderer Menschen hoeren, müssen Sie damit rechnen, dass Sie so mancher merkwürdige Blick streift.

      Von einigen Rezensenten/Feuilletonisten wurde das Buch als vulgär, pornographisch, ja sogar als wichsvorlagentauglich bezeichnet. Wer dies erwartet, ird schwer enttäuscht werden. Doch wie könnte es zu dieser Aussage gekommen sein? Vermutlich haben diese Kollegen noch nie einen Nachmittagsmarathon durch Deutschlands Talk-Shows, „Big Brother“ gemacht oder Spätabendwerbung auf DSF für "Ruf-mich-mal-an" gesehen. Andernfalls wäre diesen aufgefallen, dass die Fernsehrealität die literarische Wirklichkeit längst überholt hat.

      „Feuchtgebiete“ lässt sich schwer in eine Kategorie einordnen. Wie oben geschrieben, schreit die (vermeintliche) Intelligenza Zeter und Mordio; viele Feministinnen begrüßen das Buch als Antwort auf die frauenfeindlichen Pornos; Mode- und Trendverweigerer freuen sich, dass sich endlich eine (mediagene) Prominente gegen den Hygienewahn stellt (und wundern sich nicht, dass Frau Roche bei jedem mir bekannten Auftritt, bei dem eine Kamera in der Nähe ist, perfekt gemaskenbildnert und in ein nicht des Tadelns mögliches Outfit gekleidet ist).
      Für uns ist das Hoerbuch, wie gesagt, eine großartige Satire mit Kultcharakter. Für Lehrer/Pädagogen/Soziologen könnte dieses Buch der Albtraum schlechthin werden, da es ohne Altersbeschränkung verkauft wird. Die geschilderten Phantasien sind die Selbe anregend und deutlich genug, um den Kosmos der sexuellen Möglichkeiten beachtlich zu erweitern. Es ist also unbedingt angeraten, dass Eltern dem heimlichen Kauf vorbeugen und das Buch schnellstens im nächsten Buchladen erstehen, damit ihre unbedarften Kinder nicht möglicherweise einen Schock auf dem Schulhof erleiden, wenn ihnen das Buch/Hoerbuch heimlich zugesteckt wird. Nach dem Kauf sollte der Roman gemeinsam in der Familie gelesen und dann offen über die beschriebenen Praktiken, Ansichten etc. gesprochen werden. Das fördert die Kommunikation und hält Papi auch so lange wach, bis er auf DSF die Werbung anschauen kann.